Die “ideale Darmflora” gibt es gar nicht
Am Ende des 17. Jahrhunderts entdeckte Antoni van Leeuwenhoek, ein Mikrobiologe aus den Niederlanden als wahrscheinlich erster Mensch eine neue Welt kleiner Zellen durch sein selbstgebautes Mikroskop, während er damit beschäftigt war, sein eigenes Zahnfleisch zu untersuchen.
Zu diesem Zeitpunkt hätte er sich wohl nicht träumen lassen, dass diese Milliarden Mikroben einige Jahrhunderte später eines der meistbesprochenen Themen der (Mikro-) Biologie sein würden.
Diese mikroskopisch kleinen Partner
haben verschiedene wichtige Rollen im Funktionieren des menschlichen Körpers. Alles was wir einnehmen, von Nahrung bis hin zu Arzneimitteln, kann unser persönliches Mikrobiom (Darmflora) formen und beeinflussen. Dies kann weitreichende Folgen haben, wie man inzwischen weiß.
Im Jahr 2001 erfand Joshua Lederberg, ein Nobelpreis-Biologe, den Term “Mikrobiom” mit dem er die Milliarden Mikro-Organismen in unserem Körper neu benannte. Heutzutage bringt dieser Suchbegriff tausende Suchergebnisse bei Google und die Wirkung der Darmbakterien wird inzwischen an die verschiedensten körperlichen Zustände gelinkt. Zwischen 2007 und 2012 ist die Anzahl veröffentlichter Artikel zum Mikrobiom sogar mit 250% gestiegen. Die kleinen Helfer in unserem Körper werden als Ursache und als Retter bei einer breiten Skala an Indikationen gesehen.
Das “do-it-yourself” Stuhl-Implantat der Hadza
Obwohl alles Wissen noch in den Kinderschuhen steht, kommen die neuen Entwicklungen sehr schnell. Eine der letzten und vieleicht auch die interessanteste Entwicklung ist die fäkale Transplantation. Diese bisher noch experimentelle Anwendung wird normalerweise in einer Klinik oder einem Krankenhaus durchgeführt unter medizinischer Begleitung, aber es sind auch Geschichten bekannt von Personen die dies zuhause selbst ausprobierten!
So hat ein Jeff Leach, ein Archäologe und Schriftsteller ein Stuhl-Implantat bei sich selbst eingeführt, Der Stuhl stammte in diesem Falle von einen traditionellen Volk, den Hadza aus Tansania. Leach unternahm diese ungewöhnlich Maßnahme aus einem einfachen Grund… das westliche Mikrobiom ist ein Chaos. Schlechte Ernährungsgewohnheiten, Lebensstilfaktoren, Verunreinigung, und andererseits auch übertriebene Hygiene-Maßnahmen formen nach Meinung von Leach die Ursache dafür.
Die Hadza leben im Gegensatz dazu in einer traditionellen Jäger und Sammler Setting und haben in folgedessen ein Mikrobiom, das dem “idealen” Mikrobiom näher kommt. Leach beschrieb es als “(re)becoming human”. Die Veröffentlichung “Gut microbiome of the Hadza hunter-gatherers” vom April 2014 könnte dazu die Anleitung gewesen sein. Das Mikrobiom der Hadza ist reichhaltiger und diverser als das der italienischen Teilnehmer an dieser Studie. Ein anderes auffallendes Detail ist die Abwesenheit von Bifidobakterien bei den Hadza. In westlichen Mikrobiomen kann bis zu 10% des Mikrobioms aus eben dieser Gruppe vermutlich gesunder Bakterienstämme bestehen.
Die meisten Menschen sind doch eher zurückhaltend wenn es um diese Art von Selbsthilfe geht. Man nimmt ein do-it-yourself-Implantat wie Leach nicht mal in Erwägung. Außerdem wurde im Falle von Leach auch deutlich, dass das traditionelle Mikrobiom etwas romantisiert betrachtet wird. Auch wenn wir seinen Gedankengängen durchaus folgen können.
Der Mythos des normalen Mikrobioms
Es ist unmöglich, ein “normales oder ein “gesundes” Mikrobiom zu beschreiben. Dieses Ekosystem ist sehr komplex und individuell einzigartig, konstant an Veränderungen ausgesetzt und sehr kontextabhängig. Nur um einen Eindruck zu verschaffen von seiner Komplexität, es gibt beispielsweise mehr als 400 Millionen verschiedener Variablen die zu messen sind, wie beispielsweise die Sorten, die Mengen und die Gebiete der verschiedenen Arten Bakterien, etc.…
Nur um die Komplexität noch weiter auszuführen, “gute” Darmbakterien können auch “schlecht” werden, abhängig von der Position, in der sie sich befinden. Erreichen Sie die Blutbahn, indem Sie die Darmwand überwinden, dann führt das zu einer heftigen Immunreaktion des Körpers. Nur Millimeter können dann den Unterschied machen zwischen gut und schlecht. Am Ende können wir nur schlussfolgern, dass das Mikrobiom ein Spiegel ist des Lebens und darum in sich immer einzigartig. Dies entspricht einer allgemeinen (Quantum-) Wahrheit: Es gibt keine one-size-fits-all Lösung.
Die dynamische Art und relativ einfache Zugänglichkeit erklärt zum grossen Teil die Zunahme des allgemeinen Interesses am Mikrobiom. Menschliche Gene sind noch immer schwer zu beeinflussen, aber das Mikrobiom kann man recht einfach verändern. Es ist, so sagen einige Researcher, “das einzige Organ, das man auswechseln kann, ohne zu operieren“.
Darum; wertschätzen Sie die kleinen Freunde im Darm. Pflegen Sie sie und realisieren Sie sich, das Mensch und Bakterien eine Symbiose formen. Die Einflussnahme über Supplementierung, Nahrung, Lebensstil oder auch Stuhlimplantate – für den Abenteurer- vieles ist Möglich, aber bleiben Sie sich selbst.
Quellen:
http://www.nytimes.com/2014/11/02/opinion/sunday/there-is-no-healthy microbiome.html?_r=0
http://www.motherjones.com/environment/2014/10/microbiome-health-gut-bacteria
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3996546/